Reihe

»Ein alttestamentarischer Text ist keine ägyptische Mumie. Wenn man ihn berührt, beginnt er zu schreien«. Dieser Grundsatz aus Guido Ceronettis Vorwort zu seiner Übersetzung des Buchs Jesaia verdichtet bildhaft einen der wesentlichen Ansprüche unseres Verlagsprojekts. Seine Kernelemente sind Texte, Textfragmente, Bilder aus thematisch und historisch unterschiedlichen Feldern, die – metaphorisch – als reaktionsmächtige „Subjekte“ adressiert werden. Sie werden integriert von Lektüren, welche die genannten Kerntexte als dringliche, sprachliche sowie inhaltliche Erfahrungen vergegenwärtigen und weiterschreiben.

Konzept

Jede Ausgabe unserer Reihe soll zum Ort einer hermeneutischen Begegnung werden, die ein paradoxales Moment freisetzt. Sie lassen Konturen einer Gegenwelt zum zynischen Reich des Bestehenden, seinen Diskurs- und Vorstellungskomplexen aufscheinen. Die Lektüre selbst versteht sich so als Geste des Widerstands: sie ist Suche nach dem im Text Verdrängten - einem Außen, das uns erlaubt »auf den status quo zu blicken, um die Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit aufzuheben, mit denen sich dieser ummantelt; um den Mechanismus der Macht, der ihn aufrechthält, zu dekonstruieren; um ihn zu transzendieren« (Donatella Di Cesare). 

Sein ausdrücklich dialektischen Charakter liegt dem editorischen Projekt formal eingezeichnet in seiner besonderen, auf die virtuell unendliche Fortführung des Lesens und Interpretierens ausgerichteten Struktur. Anmerkungen, insbesondere in Form von Marginalia, sollen jede Lektüre nach Bedarf ergänzen, vervielfachen, unterbrechen. Dieser Editionsstruktur liegt die Suche nach einer »Praxis des Lesens« zu Grunde, die »grundsätzliche Fragen über das Denken und Handeln« hervorruft (Haim Ben-Abraham). In ihrer Form reflektiert die Reihe somit ihren idealen Bestimmungsort: eine Gemeinschaft des Dialogs und der Kontroverse darüber, was sich der (selbst-)zerstörerischen Immanenz des Bestehenden als seine mögliche Aufhebung offenbart. Eine Gemeinschaft, die vertraut auf die »Möglichkeit geschichtlicher Überwindung von geschichtlich Gewordenem« (Moshe Zuckermann).

Ausgaben

Pasolini/Vitali: Widersprechen Erschienen Juli 2025

Blanchot/Setter: Nahkritik Erschienen August 2025

Manifesto

Der folgende Text bietet eine ausführliche Darstellung der ausschlaggebenden Idee und Anliegen der Verlagsreihe sowie der hierzu entsprechenden editorischen Form.

Manifesto (PDF)

Beirat

Massimiliano De Villa, Università di Trento (Dipartimento di Lettere e filosofia)

Judith Kasper, Goethe Universität Frankfurt (Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft)

Stephan Lessenich, Institut für Sozialforschung Frankfurt/ Goethe Universität Frankfurt (Gesellschaftstheorie und Sozialforschung)

Andrea Teglio, Ca’ Foscari Università di Venezia (Departement of economics)

Moshe Zuckermann, University of Tel Aviv (Faculty of Humanities - The Cohn Institute for the History and Philosophy of Science and Ideas)

Webseite

Die Webseite integriert unsere Buchreihe virtuell: Sie variiert und erweitert deren strukturell vorgezeichnete Dynamik der Fortsetzung und Polyphonisierung von Lektüre und Interpretation. 

Dabei steht nicht nur den Autor:innen offen, die in der jeweiligen »Sefirah«vorgebrachten Gedanken weiter zu schreiben, sie zu reflektieren mit anderen oder Gegen-Gedanken. In der hierzu verfügbaren Marginalia-Funktion sollen ferner ergänzende Informationen oder kritische Anregungen – Epitexte – zu punktuellen, in den jeweiligen Texten vorgebrachten Überlegungen reproduziert, die in letzteren verschlüsselten, sprachlich-inhaltlichen „Lichtmomente“ somit prismatisch aufgefächert werden. 

Nicht zuletzt fällt der Webseite auch die Funktion einer virtuellen Pinnwand zu: Hinweise auf projektbezogene Veranstaltungen oder Veröffentlichungen wie beispielsweise Rezensionen ergänzen die editionsspezifischen „Sphären“ der Sefiroth-Struktur.

Design

Die graphisch-materielle Ausgestaltung der Idee zur Verlagsreihe erfolgte im Atelier des Kollektivs Estampa Popular del Guadarrama. Ihr voraus ging eine seitens der Graphiker ausführliche Auseinandersetzung mit dem Projekt, seinen inhaltlichen Ansprüchen sowie mit der Tradition, der es sich symbolisch einschreibt.

Folgendes Video- und Bildmaterial vermittelt einen Eindruck von der entsprechenden, künstlerischen Arbeit: von den frühen Entwürfen des Erscheinungsbilds und Signets bis hin zur Herstellung des Druckstocks zur bildhaften Reproduktion der Kernfigur der Reihe - eine “klassische” Variante der Sefiroth-Abildungen (hier nach der Vorlage aus einer 1591 gedruckten Ausgabe von Moshe Cordoveros kabbalistischem Werk Pardes Rimonim, dt. Garten der Granatäpfel).